Windrad (Altenwerder)

Die größten Windräder der Welt

Demokratische Potentiale dieser dezentralen Energie werden selten genutzt

Erstellt am 03.10.2012, zuletzt geändert am 13.01.2021 | hamburg energie

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Jan Reinecke

Mit fast 200 m Höhe zählen sie zu den höchsten Gebäuden Hamburgs und erheben sich direkt an der A7 bei Altenwerder. Die zwei Windkraftanlagen des Typs Enercon 126 waren bei ihrer Errichtung 2009 die größten Windräder der Welt. Grundsätzlich hat die Windenenergie das Potential gerade in entlegenen Regionen eine demokratische und dezentrale Energieversorgung zu befördern. Doch das Beispiel Mexiko zeigt, dass sich Windenergie im schlechtesten Fall auch sehr zum Nachteil der lokalen Bevölkerung entwickeln kann.

Die Windräder haben eine Leistung von sechs Megawatt (MW), ihre Rotoren einen Durchmesser von 127 Metern. Die Nabenhöhe liegt bei 135 Metern, die Gesamthöhe beträgt 198 Meter.

So eindrucksvoll die Daten der e-126 auch sind, Hamburgs Stellenwert für die Windenergie ergibt sich nicht aus den hier installierten Anlagen. Und auch für die Logistik der Offshore-Windparks spielen Emden, Bremer- und Wilhelmshaven eine weitaus wichtigere Rolle. Hamburg ist viel mehr Sitz einiger wichtiger Firmen der Windkraftbranche. Seit 2011 residiert hier die Windkraftsparte von Siemens, die Hauptverwaltung von REpower sitzt in der City Nord. Letztere ist Teil der Suzlon Gruppe, des fünfgrößten Windkrafthersteller weltweit. Mit Nordex hat ein dritter großer Player der Branche seinen Hauptsitz in Hamburg.

Andere bedeutende Windkraftanlagen im Hafen sind übrigens die beiden Nordex N100 von HAMBURG ENERGIE am Klärwerk Dradenau mit einer Nennleistung von 2,5 MW.

Öko aber nicht fair

Wie kaum ein anderer Energieträger neben der Solarenergie steht die Windenergie für die „grüne Energierevolution“. Mittlerweile steuert sie den weitaus größten Anteil aller regenerativen Energieträger zum bundesdeutschen Energiemix bei. Doch bei „Revolutionen“ sollte es um mehr gehen als um eine Technologie, und da steht die Windkraft sehr zwielichtig da. Obwohl der Gründer und Besitzer von Enercon, Alois Wobben, mittlerweile Milliardär ist, konnte erst in den letzten Jahren eine gewerkschaftliche Organisation der ArbeitnehmerInnen in seinen Betrieben durchgesetzt werden 1, und noch heute berichten MitarbeiterInnen der Gewerkschaft IG-Metall von einem „äußerst aggressiven Auftreten“ der Firma gegenüber den Gewerkschaften 2. Damit steht Enercon nicht alleine. Auch REpower lehnt weiterhin tarifliche Regelungen ab, der weltweit größte Windradhersteller, Vestas, wich sogar mit seinen deutschen Werken nach Dänemark aus. Der zweite Gewerkschaftsvorsitzende der IG-Metall, Detlef Wetzel, beschrieb die Lage so:

„Tarifverträge sind eine Ausnahme, die Leiharbeit weit verbreitet und die Bezahlung der Beschäftigten ist häufig undurchsichtig.“

Der niedersächsische IG-Metall-Bezirksleiter Hartmut Meine spricht gar von Lohndumping 3. Sicherlich könnten Windräder auch zu fairen Bedingungen hergestellt werden, und häufig starteten die Betriebe mit einer vergleichsweise flachen Hierarchie (zum Beispiel Wagner Solar in Hessen als Kollektiv) doch mit der Anpassung der kleinen dezentralen Betriebe an eine großindustrielle Produktion, wurde auch die Solar- und Windenenrgiebranche den konventionellen Betrieben der Energiebranche immer ähnlicher, obwohl sie einst zu deren Ablösung angetreten waren.

„There are no technical sollutions to social problems“ – es gibt keine technischen Lösungen für soziale Fragestellungen – dieser Slogan aus der Internet-Community lässt sich auch auf den Energiesektor anwenden. Zwar erzeugen Windturbinen und Solarpannels Strom auf erneuerbare Art, über die Produktionsverhältnisse, die Arbeitsbedingungen und sozialen Schieflagen bei der Erzeugung dieser Energie gibt der Energieträger alleine noch keine Auskunft.
Gerade bei Öko-Produkten bleibt die soziale Frage häufig außen vor, gilt es doch den Planeten zu retten. Da behindern gewerkschaftliche Forderungen die gute Sache nur, so ist zumindest der Eindruck, den die Betriebe der Windenergiebranche vermitteln.

Nicht öko und gar nicht fair – Windenergie in Oaxaca (Mexico)

Grundsätzlich hat die Windenenergie das Potential, gerade in entlegenen Regionen eine demokratische und dezentrale Energieversorgung zu befördern. Doch das Beispiel Mexiko zeigt, dass sich Windenergie im schlechtesten Fall auch sehr zum Nachteil der lokalen Bevölkerung entwickeln kann.

Der Isthmus von Tehuantepec ist eine nur etwa 200 Kilometer breite Landenge zwischen dem Pazifik und dem Atlantik, und damit die schmalste Festlandbrücke am Golf von Mexiko. Wie durch einen Windkanal bläst hier ein konstanter Wind durch eine Lücke in den Kordilleren, die sich nördlich und südlich erheben, und machen die Region zu einer der drei windreichsten Regionen der Erde. Mit Windgeschwindigkeiten von durchschnittlich 8,5 Metern pro Sekunde bietet die Region ideale Voraussetzungen zur Errichtung von Windparks, zumal sich die Mexikanische Regierung im Rahmen internationaler Abkommen zu einer massiven Reduktion von fossiler Energieerzeugung verpflichtet hat.
Um dieses Ziel zu erreichen, sind bereits acht Windparks mit bis zu 1.200 Windrädern errichtet worden, die eine Leistung von 518 MW erzeugen. 5.000 Windräder in 22 Parks sollen es nach den Vorstellungen des mexikanischen Energieministeriums bis 2014 werden 4. Hinzu kommt eine Förderung in Form von Krediten der Weltbank, in Höhe von 100 Millionen Dollar, im Rahmen des „Mechanismus der sauberen Entwicklung" 5.

Des einen Freud, des anderen Leid

Doch was sich wie ein Märchen für die Windindustrie anhört, entwickelt sich zu einem Albtraum für die lokale Bevölkerung.
Wasser ist rar am Isthmus von Tehuantepec und so wurde von den BewohnerInnen der Region über Jahrhunderte ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem entwickelt, um den Anbau einer besonders windresistenten Maissorte zu ermöglichen. Durch die Verpachtung von großen Flächen an die Betreiber von Windparks wird diese gemeinschaftlich bewirtschaftete Bewässerungssystem immer häufiger unterbrochen, mit drastischen Folgen gerade für diejenigen, die ihr Land nicht verpachtet haben. Dadurch, dass die Konzerne Verhandlungen mit einzelnen Bauern führen, und nicht mit den Gemeinden, lässt sich kaum eine gemeinschaftliche Verteilung der Kraftwerksstandorte organisieren, die die Belange aller Beteiligten berücksichtigt. Sollten alle geplanten Windparks gebaut werden, wird eine Landwirtschaft, die die lokale Bevölkerung ernähren kann, nicht mehr möglich sein.

AktivistInnen vor Ort wie etwa die Agrarwissenschaftlerin Bettina Cruz empört vor allem, dass in den von der Regierung veranstalteten Anhörungen die Betroffenen keinen Raum hatten, um ihre Anliegen vor zu tragen. Stattdessen können Weltmarktfirmen wie Walmart, Heineken und Coca Cola in Zukunft damit werben, ihre Produkte mit Ökostrom hergestellt zu haben. Hinzu kommt eine Besonderheit des mexikanischen Strommarktes, in dem der Gewerbestrom besonders teuer ist. Dadurch wird der Betrieb eines eigenen Windparks, der günstigen Windstrom erzeugt, neben dem Imagegewinn auch zu einer lohnenden Investition für große Konzerne.
Bettina Cruz betont, dass sie nicht grundsätzlich gegen Windenergie ist, nur müsse auch der lokalen Bevölkerung zu Gute kommen, und deren Belange, etwa in der Landwirtschaft, berücksichtigen.
Um ihre Anliegen einzufordern, gehen Menschen in Oaxaca immer wieder auf die Straße. Doch die Repression des Staates gegen den Widerstand ist zum Teil drastisch. Zeitweise saßen bis zu 40 AktivistInnen im Gefängnis. Bei der gewaltsamen Auflösung einer Straßenblockade, mit der versucht wurde, den Bau eines Windparks zu verhindern, kamen im Oktober 2011 sogar zwei Menschen ums Leben. Bettina Cruz sah sich gar Morddrohungen ausgesetzt, die die Menschenrechtsorganisation Amnesty International dazu veranlasste eine “urgent action” zu starten 6. Doch das “Bündnis zum Schutz der Landenge” lässt nicht locker und hat bereits rund 200 Klagen gegen illegale Pachtverträge gewonnen. Warum sie weiter machen, begründet Bettina Cruz so:

„Solange die erneuerbaren Energien in den Händen der gleichen Unternehmen sind, die den Klimawandelt herbei geführt haben, stellen sie keine Lösung dar. Wir brauchen unsere eigene Energieautonomie. Wir dürfen ihnen die Energieversorgung nicht überlassen.“

Die Möglichkeit der erneuerbaren Energien liegt in der Realisierung der Energieversorgung aus lokal verfügbaren Quellen für den eigenen Bedarf. Es geht um eine Stärkung der regionalen Energieautonomie und nicht um eine Kopie des zentralisierten und monopolisierten Stromversorgungssystems in Form von riesigen Windparks. Aus diesem Grund experimentieren die AktivistInnen mit einem Gegenmodell. Zusammen mit einer britischen Umwelt-NGO versuchen sie über kostengünstige Kleinwindräder lokal verwertbare Energie zu erzeugen, die der Gemeinde zu Gute kommt 7.

1 “Der Freitag” vom 29.05.2011

2 robinwood

3 “Der Freitag” vom 29.05.2011

4 http://amerika21.de/nachrichten/2012/05/52258/windkraft-oaxaca

5 Vom Winde verweht, nichts mehr im Fluss?

6 http://amerika21.de/meldung/2011/10/41516/mexiko-windenergie

7 Vom Winde verweht, nichts mehr im Fluss?

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Demokratische Potentiale dieser dezentralen Energie werden selten genutzt
Karte: hamburg energie
Autor_in Anti- Atom-Büro Hamburg
Zuletzt bearbeitet: 13.01.2021
Global Link (Geografischer Bezug): Mexiko (Global Links Karte zeigen)
Adresse: Windrad, Altenwerder Kirchweg, Altenwerder, 21129 Hamburg
Koordinaten (Lat/Lon) 53.51071/9.916425
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Weitere Informationen gibt es auf den energiepolitischen Hafenrundfahrten “Gegen den Strom” der Hafengruppe Hamburg. Termine und Infos unter http://www.hafengruppe-hamburg.de/RundfahrtThemen.php#strom

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Energiepolitische Hafenrundfahrt

Weitere Informationen gibt es auf den energiepolitischen Hafenrundfahrten “Gegen den Strom” der Hafengruppe Hamburg und des Anti-Atom-Büros Hamburg. Termine und Infos unter http://www.hafengruppe-hamburg.de/RundfahrtThemen.php#strom

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