Internationales Maritimes Museum Hamburg (HafenCity)

Eurozentristische Geschichte der Admiräle und „Entdecker“

Verstaubtes Gedankengut im Glaskasten

| hamburg militaria

Thumb_tamm1
Webmap Hamburg Global

Nach dem Bekanntwerden der Pläne des Hamburger Senats, ein privates marinegeschichtliches Museum in der Hafencity finanziell zu unterstützen, waren die öffentlichen Proteste groß. Von verschiedenen Seiten wurde vor einer Dominanz militärischer Wertvorstellungen gewarnt – eine Gefahr, die von den meisten Kritiker_innen aufgrund des Bauherrn Peter Tamm formuliert wurde. Die Person Peter Tamm verkörpert für viele eine konservativ-autoritäre Gesellschafts- und Staatsauffassung, wie sie dem heutigen Hamburg nicht angemessen erscheint.

Als er sechs Jahre alt war schenkte ihm seine Mutter das erste Modellschiff. Seither unterliegt Peter Tamm einer “Marinemeise”, wie er selbst sagt. Die Geschichte des kleinen Peter, der 1934 mit dem winzigen Schifflein in der Hand begann für das Meer zu brennen, die Schifffahrt zu mystifizieren und Kolumbus, Magellan und Cook zu seinen Idolen zu erheben, erzählt Tamm mit seinen nunmehr 84 Jahren immer noch gerne. Peter Tamm ist um ein paar Jahrzehnte älter geworden – seine Sammlung mit jedem Jahr ins Unermessliche gewachsen. Mehr als 26 000 Schiffs- und U-Bootmodelle, 40 000 Konstruktionspläne, 5 000 Gemälde und Grafiken, mehr als 2 000 Filme, 1,5 Millionen Fotografien, 120 000 Bücher, zahlreiche nautische Geräte, historische Uniformen, Waffen und Orden zählt er zu seinen Schätzen. 1

Millionen an Fördermittel für die Militariasammlung von Peter Tamm

Peter Tamm, bis 1991 insgesamt 23 Jahre Vorstandschef des Axel-Springer-Verlags und 40 Jahre im Konzern tätig, errichtete mit Hilfe der von ihm gegründeten „Peter Tamm sen. Stiftung“ das Internationale Maritime Museum Hamburg. Bis zur Eröffnung des Internationalen Maritimen Museums präsentierte Tamm die Exponate in seiner privaten Ausstellung an der Elbchaussee, dem „Wissenschaftlichen Institut für Schifffahrts- und Marinegeschichte“. Die Zeit bezeichnete diese zu Recht einmal als „marinegeschichtlich-militaristische“2 Sammlung, da dort neben Seekriegsgemälden, Kriegsschiffs- und U-Boot-Modellen aus der Nazi-Zeit auch unzählige Marineuniformen, Orden und andere Marinedevotionalien ausgestellt wurden. Die mit Hakenkreuzen verzierten Admiralstäbe von Hitlers Großadmiralen Raeder und Dönitz gehören außerdem zu Tamms Sammlung, die größtenteils unkommentiert in der Elbchaussee 277 ausgestellt war. Für seinen militärischen „Vorgarten“, den sich Tamm mit Schiffskanonen, Torpedos und Grundminen schuf, holzte er den Abhang zur Elbe ab, um freien Blick auf den Schiffsverkehr zu haben. Das Bezirksamt Altona wurde aufgrund der Baumschutz- und Landschaftsschutzverordnung auf diesen Eingriff aufmerksam.

Zur öffentlichen Ausstellung dieser beträchtlichen Sammlung von Militaria, beschloss der Hamburger Senat 2004 der „Peter Tamm Sen. Stiftung“ den Kaispeicher B in der Hafencity für 99 Jahre kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Der Militärsammler erhielt eine Mietvergünstigung, die für Hamburger Museen keinesfalls eine gängige Praxis darstellt. Darüber hinaus überließ die Kulturförderung der Stadt Hamburg der „Peter Tamm sen. Stiftung“ 30 Millionen € zur Renovierung des Kaispeichers. Trotz dieser enormen finanziellen Unterstützung verzichtete der Senat auf eine inhaltliche Mitsprache bezüglich der Auswahl und Präsentation der Exponate. Vielmehr übernimmt der Multimillionär Peter Tamm mit seiner Stiftung die Darstellung und Deutung von Seefahrt, Eroberung und Krieg.3

Tamms militaristisches Weltbild und die Verherrlichung von imperialistischem Gedankengut

Peter Tamms politische Ausrichtung ist als rechtskonservativ zu bezeichnen und bewegt sich in militärischen Kategorien. Er ist Verleger von zahlreichen Militär- und Schifffahrtspublikationen, in erster Linie als Inhaber der Verlagsgruppe Koehler-Mittler. Seine konservativ-autoritäre Gesellschafts- und Staatsauffassung wurde von Kritiker_innen oft an drei exemplarischen Portraits dargestellt, die im Eingangsbereich seines „Wissenschaftlichen Instituts für Schifffahrts- und Marinegeschichte“ zu finden waren: Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der im 17. Jahrhundert eine eigene Kriegsflotte aufbaute und aus dem Geschäft mit Menschen-, Gold- und Elfenbeinhandel reich wurde. Neben ihm Otto von Bismarck, der mit „Blut und Eisen“ auf kriegerische Weise die Gründung des deutschen Kaiserreichs durchsetzte und gleichzeitig den deutschen Kolonialismus ab 1884 vorantrieb. Schließlich Kaiser Wilhelm II, als letzter der drei portraitierten Männer, der die Symbolfigur des deutschen Imperialismus darstellt. „Weltpolitik als Aufgabe, Weltmacht als Ziel, Flotte als Instrument“ lautete seine Devise. Seine Herrschaft war geprägt durch einen Rüstungswettlaufs, den er durch den Schlachtschiffbau und seine Kanonenbootpolitik anheizte. In den Kolonien führte er eine brutale Aufstandsbekämpfung durch, was allen voran an dem Völkermord an den Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika offenkundig wird. Eine Verehrung der genannten Herrscher, die wirtschaftliche und expansionistische Interessen mit Gewalt durchsetzten und diese über moralische Richtlinien stellten, erscheint schwerlich vereinbar mit einem demokratischen Selbstverständnis. 4

Die Öffentlichkeit übt Kritik an der Errichtung des Museums

Angesichts der autoritären und militaristischen Grundeinstellung Peter Tamms, die sich in seiner Sammlung manifestiert, kam es bereits im Vorfeld der Eröffnung des Museumsprojektes innerhalb der Hamburger Kulturszene und Öffentlichkeit zu großen Protesten. Die Aktion „Künstler informieren Politiker“ (KIP)5 gründete sich bereits 2005. In dieser Initiative übernahmen 121 Künstler_innen eine Patenschaft für die Abgeordneten der Hamburger Bürgerschaft, die sie über die Sachlage hinsichtlich des Museumsprojektes informierten. Darüber hinaus ergab sich eine öffentliche Diskussion angestoßen durch die Publikation „Tamm-Tamm“, die im selben Jahr herausgebracht wurde. Zur Eröffnung des Museums im Juni 2008 hielt der feld für kunst e.V.6 eine Veranstaltungsreihe ab, die sich mittels Vorträgen, Performances, Installationen und Interventionen im städtischen Raum der Thematik „Wo der Krieg wohnt“ annäherte. Im Mittelpunkt standen dabei der Krieg auf den Meeren sowie der Mensch und sein Verhältnis zum Krieg.

Durch die öffentlichen Proteste angeregt, berichteten mehrere größere und kleinere Medien über die Kritik an dem Projekt, an seiner Finanzierung und der Art seiner politischen Durchsetzung. Weiter stellte sich für die Kritiker die Frage nach dem wissenschaftlichen Anspruch sowie dem Museumsbegriff, der hier zugrunde lag. Obwohl die Sammlung in Peter Tamms Villa seit 1991 als „Wissenschaftliches Institut für Schifffahrts- und Marinegeschichte“ geführt wurde, fehlte eine unabhängige Bewertung durch Expert_innen und Wissenschaftler_innen. Auch an der wissenschaftlichen Expertise Tamms lassen Kritiker_innen zweifeln: Zwar wurde ihm im Juli 2002 vom Hamburger Senat auf Antrag der Kultursenatorin Dana Horáková der Ehrentitel „Professor“ verliehen, dennoch lässt seine Forschungsbilanz zu wünschen übrig. Eine Reflexion über Methoden, Erkenntnisse und Forschungsdebatten der heutigen Geschichtswissenschaft ist in keiner seiner Abhandlungen erkennbar.

Ein Besuch im Internationalen Maritimen Museum Hamburg?

Nun gibt es das Museum seit Juni 2008. Doch inwieweit sind die Befürchtungen der Kritiker_innen eingetreten? Schürt Tamms Museum Militär- und Rüstungsbegeisterung? Werden Militaristen, Heldenverehrer und Waffennarren durch das dargestellte Weltbild des Museums angezogen?

Schnell fällt auf, dass durch Tamms Sammlung ein Geist des 19. Jahrhunderts weht: Soldatentum und Eroberergeist als Tugenden, eurozentristische Geschichte der Admiräle, Kaiser und „Entdecker“ – und das alles in einer großen Vitrinenschau. Die Befürchtungen sind ohne Zweifel zumindest bezüglich des veralteten didaktischen Konzepts eingetreten. Doch auch inhaltlich ist die beschönigende Weise zu kritisieren, wie die deutsche Kriegs- und Rüstungsgeschichte dargestellt wird. „Entdecker“ werden heroisiert, die Verwobenheit mit dem Zeitalter von Kolonialismus und Sklaverei unzureichend thematisiert, ein Bezug zu den Folgen, die bis heute nicht bewältigt sind, fehlt völlig. Die einseitige europäische Perspektive widerspricht dem internationalen Anspruch, den die Institution an sich selbst durch ihren Namen erhebt. Themen, die bereits zu Beginn der Diskussion um das Museum eingefordert wurden, werden immer noch ausgeklammert oder marginalisiert. Welche Rolle spielte die Schifffahrt bei der Ausbeutung anderer Kontinente, beim Sklavenhandel und Kolonialismus? Welche politischen Kontroversen um die Flottenrüstung wurden im letzten Jahrhundert aufgeworfen? Wie waren die Arbeitsbedingungen in den Häfen und auf den Werften? Inwieweit kam es zu Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen und Kriegsgefangenen in der deutschen Seewirtschaft?7

Die Informationstafeln sind im Verhältnis zu den zur Exposition gestellten Objekten unzureichend und nur in geringer Anzahl vorhanden. Eine Stadt wie Hamburg, die Jahrhunderte lang von Europas Kolonialimperialismus Profit schlug, sollte eigentlich eine exponierte Stellung in der selbstkritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit einnehmen. Die Zukunft der Stadt liegt in ihrem internationalen Charakter, im Gegensatz dazu steht das veraltete Gedankengut, das in Tamms Museum vermittelt wird. Dieses fördert nicht den interkulturellen Austausch, es trägt anstatt dessen zur Polarisierung bei. Es ist erstaunlich, dass noch nie ein Privatmuseum in Hamburg derart gefördert wurde wie das von Herrn Tamm. Geschichtsbilder verfügen über eine große Wirkung, weshalb die Legitimation von Macht und kriegerischen Konflikten in der Vergangenheit sorgfältig betrachtet werden müssen, um zukünftig eine friedlichere Welt zu schaffen. Dies wurde leider im Internationalen Maritimen Museum Hamburg vergessen.8

1 Möwe, Friedrich: Tamm-Tamm. Eine Anregung zur öffentlichen Diskussion über das Tamm-Museum. Herausgegeben vom Informationskreis Rüstungsgeschäfte in Hamburg. Aktualisierte Auflage. Hamburg 2008.

2 http://www.zeit.de/2003/09/Suchet_Trost_in_Eurem_Aquadome/komplettansicht abgerufen am 15.11.2012.

3 Möwe, Friedrich: Tamm-Tamm. Eine Anregung zur öffentlichen Diskussion über das Tamm-Museum. Herausgegeben vom Informationskreis Rüstungsgeschäfte in Hamburg. Aktualisierte Auflage. Hamburg 2008.

4 Möwe, Friedrich: Tamm-Tamm. Eine Anregung zur öffentlichen Diskussion über das Tamm-Museum. Herausgegeben vom Informationskreis Rüstungsgeschäfte in Hamburg. Aktualisierte Auflage. Hamburg 2008.

5 www.tamm-tamm.info abgerufen am 15.11.2012.

6 http://www.feldfuerkunst.net.

7 Möwe, Friedrich: Tamm-Tamm. Eine Anregung zur öffentlichen Diskussion über das Tamm-Museum. Herausgegeben vom Informationskreis Rüstungsgeschäfte in Hamburg. Aktualisierte Auflage. Hamburg 2008.

8 Zu den Inhalten und dem didaktischen Konzept des Museums: http://www.taz.de/Im-Tamm-Museum-mit-Kritiker-Friedrich-Moewe/!67021/
http://www.taz.de/Das-Maritime-Museum-schwaechelt/!72794/ abgerufen am 15.11.2012.

hamburg militaria > Internationales Maritimes Museum Hamburg (HafenCity)

Eurozentristische Geschichte der Admiräle und „Entdecker“

Verstaubtes Gedankengut im Glaskasten
Karte: hamburg militaria
Autor_in Anna Ueberham
Zuletzt bearbeitet: 29.08.2013
Quelle Möwe, Friedrich: Tamm-Tamm. Eine Anregung zur öffentlichen Diskussion über das Tamm-Museum. Herausgegeben vom Informationskreis Rüstungsgeschäfte in Hamburg. Aktualisierte Auflage. Hamburg 2008.
Adresse: Internationales Maritimes Museum Hamburg, Koreastraße 3, HafenCity, 20457 Hamburg
Koordinaten (Lat/Lon) 53.54397/10.00032

Kommentare

Wir freuen uns sehr über Anregungen!

Hier kannst Du Ergänzungen, Fragen und Kritik zu diesem Text eintragen. Bitte beachte unsere Nutzungsbedingungen ! Nach einer zügigen Prüfung veröffentlichen wir Deinen Beitrag.

 
Neuer Kommentar

Die Email-Adresse wird nicht veröffentlicht

Bitte die Summe von 2+3 angeben. Wir versuchen mit dieser Frage den Mißbrauch durch Spam-Roboter zu vermeiden.


Abbrechen