Fischmarkt Hamburg-Altona (St. Pauli)

Sieht ja keiner

Globale Überfischung durch europäische Unternehmen

Erstellt am 08.06.2012, zuletzt geändert am 09.01.2014 | hamburg commercial

Lifestyle-Magazine beschwören die Gesundheit einer fischreichen Ernährung, doch in seinen Heimatgewässern ist das gesunde Gleichgewicht längst zerstört: Die Überfischung der Weltmeere, vornehmlich durch europäische Unternehmen, bedroht die Lebensgrundlage der Ozeane wie westafrikanischer Küstenländer.

Fisch ist nicht nur eine zentrale Nahrungsquelle für Menschen und Meerestiere, er ist auch Existenzgrundlage für die Bewohner der Küstenregionen und ebenso existenziell für das ökologische Gleichgewicht der Weltmeere. In den letzten Jahrzehnten und vor allem in den Jahren nach 1970 war die Fischerei jedoch nicht von Bedeutung, sondern von Profit geleitet – und führte dazu, dass mittlerweile 52 Prozent des Fischbestandes bis an die Grenzen erschöpft wurden, 19 Prozent überfischt sind und bereits acht Prozent als bereits erschöpft gelten. Während in den deutschen Zeitungsregalen Lifestyle-Magazine das gesunde Nahrungsmittel Fisch beschwören, werden die Folgen des Überkonsums meist ausgeblendet. Abgesehen davon, dass die Gifte in vielen Fischsorten die stets beschworene Gesundheit Omega-3-Fettsäure ausgleichen, nimmt der Fischraub immer bedrohlichere Züge an.1

Ein großes Problem stellt der Beifang dar: 30 Millionen Tonnen Lebewesen werden jedes Jahr tot ins Meer zurück geschmissen, darunter auch Tierarten, die vom Aussterben bedroht sind wie Schildkrötenarten, Manta-Rochen und Hammerhaie. Die Menge an Beifang, die ein großes Schiff an einem Tag über Bord gehen kann, könnte beispielsweise in einem der ärmeren atlantischen Küstenländer 34.000 Menschen ein ganzes Jahr lang ernähren.

Fremde Gewässer

Eine weitere Dramatik erhält der Fischraub am Beispiel Westafrikas. Dort stellen vor allem die großen Schiffe europäischer Firmen ein Problem dar. Die meisten Bestände westafrikanischer Gewässer, die für den kommerziellen Fang befischt wurden, sind bereits voll ausgeschöpft oder überfischt. Die EU kauft weiter Fischfangrechte in Westafrika und im Pazifik, um den Bedarf ihrer Länder zu stillen – und subventioniert so die Ausbeutung ärmster Länder der Welt durch Privatunternehmen, die den Profit größtenteils für sich behalten.

Unternehmen wie „Pelagic Freezer-Trawler Association“ (PFA) schicken einige der größten Schiffe der Welt vor die Küsten Guineas, des Senegals oder Mauretaniens und verdrängt dort die heimischen Fischer: 56 mauretanische Piroggenboote könnten in einem Jahr die Menge fangen, welche ein PFA-Fisch an nur einem Tag aus dem Meer holt. PFA hat seinen Hauptsitz in den Niederlanden, ist aber ein Zusammenschluss aus neun europäischen Fischereiunternehmen. Auch die deutsche Firma Doggerbank Seefischerei GmbH aus Bremerhaven gehört der PFA an ein Tochterunternehmen von Parlevliet & Van der Plas B.V., ebenfalls in den Niederlanden. Perlevliet & Van der Plas B.V. besitzt insgesamt 15 Schiffe, von denen das Längste knapp 150 Meter misst. 2

Ökologischer Kreislauf langfristig zerstört

Die Konsequenzen der Überfischung zeigen sich häufig erst mit zeitlicher Verzögerung. Nicht befischte Arten nehmen die ökologische Nische der überfischten Spezies ein, wenn sie an gleicher Stellung in der Nahrungskette stehen. Das führt dazu, dass die Kettenreaktion, die durch eine Lücke in der Nahrungskette entsteht, noch nicht einsetzt. Dieses wankende Gleichgewicht stürzt dann ein, wenn die einnehmende Art selbst gefangen wird oder von einer Krankheit befallen wird. Wird bei Untersuchungen bloß der Räuber untersucht, welcher die bereits überfischte Art fängt, lassen sich die Auswirkungen aber immer noch leicht verfälschen. Somit ist das Artensterben in den Meeres- und Küstenökosystemen wesentlich größer, als lange angenommen und lässt sich nicht durch gezielte Züchtung einer Art wieder ausgleichen.

Ein (gescheiterter?) Versuch der Regulierung

Bereits am 22. Juli 1902 gründeten acht europäische Länder den International Council for the Exploration of the Sea (ICES, deutsch: Internationaler Rat für Meeresforschung). Dessen Ziel ist es zum einen, an den praktischen Problemen der Fischerei zu arbeiten. Mittlerweile erforscht und überwacht der Rat rund 110 Fischarten und hält deren Bestände fest. Außerdem veröffentlicht er Resolutionen, um wissenschaftliche Erkenntnisse mit politischen Forderungen zu verbinden – die Quoten der EU-Fischereipolitik übersteigen die Empfehlungen der ICES jedoch immer noch um 48 Prozent.
Zu den ersten Mitgliedern, Dänemark, Finnland, Deutschland, die Niederlande, Norwegen, Schweden, Russland und Großbritannien, sind weitere zwölf hinzu gekommen und sechs Länder haben einen Beobachterstatus erhalten. Die Mitgliedsstaaten sind alle entweder europäisch oder nordamerikanisch, im Kreis der Beobachter sind zudem Chile, Australien, Peru und Südafrika. Gefischt wird aber meist nicht bloß vor den eigenen Küsten und durch fehlende Fischereiabkommen in anderen Regionen oder illegale sowie unbeflaggte Fischerei können die Unternehmen leicht selbst die zu geringen Auflagen der EU umgehen.

Aquakulturen als eine konsumorientierte Lösung

Statt einer Überfischung internationaler Gewässer sollen Zuchtanlagen für Fischarten wie Lachs, Barsch oder Hering, einen nachhaltigen Fischkonsum ermöglichen. Mittlerweile wird so knapp die Hälfte des Bedarfes in Europa abgedeckt. Diese Aquakulturen tragen jedoch keineswegs zum Erhalt der natürlichen Fischpopulation bei: Häufig stellt die Nahrung der gezüchteten Fische nämlich andere Fischarten dar – die aus Wildfang bezogen werden. Besonders kritisch wurde dabei die Verwendung des Krills, eine kleine Krebsart, hinterfragt. Krill ist die Grundlage des antarktischen Nahrungsnetzes und wird von Buckel- sowie Blauwalen verzehrt. Sein Wegfang gefährdet die Nahrungskette enorm. Ein weiteres Problem ist der Ausbruch von Zuchttieren, die dann eine langfristige Bedrohung der Wildpopulation werden.

Nachhaltig wäre vor allem eine Angleichung von Konsum und tatsächlichem Verbrauch, vor allem aber mehr Verzicht – vor allem in den europäischen Ländern, die ihren Bedarf häufig importieren.

1 www.zentrum-der-gesundheit.de/fische

2 www.parlevliet-vanderplas.nl/niederlassungwiedergave

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Karte: hamburg commercial
Autor_in Viviane Petrescu
Zuletzt bearbeitet: 09.01.2014
Global Link (Geografischer Bezug): Westafrika; Guinea; Senegal; Mauretanien; Spanien; Niederlande (Global Links Karte zeigen)
Adresse: Fischmarkt Hamburg-Altona, Große Elbstraße 137, St. Pauli, 22767 Hamburg
Koordinaten (Lat/Lon) 53.54456/9.937693

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