Firmenadresse Schön, Willinck & Co (Hamburg-Altstadt)
Nachlassübermittlung nach St. Thomas
Eine ehemalige Versklavte und ihr transatlantisches Erbe
Erstellt am 30.06.2021, zuletzt geändert am 27.09.2021 | hamburg postkolonial
Eine Nachlassakte im Staatsarchiv Schleswig lässt die Umrisse einer ungewöhnlichen Biografie erkennen1: Um 1771 wird auf der zu dieser Zeit zu Dänemark gehörenden Karibikinsel St. John ein Mädchen namens Maria Susanna geboren. Sie ist das Kind zweier versklavter Eltern und damit selbst auch versklavt – mutmaßlich wächst sie auf der kleinen Baumwollplantage auf, auf der ihre Mutter lebt und arbeitet. Auf welchen Wegen Maria Susanna Josua, die diesen Nachnamen später im Leben annimmt, um 1826 nach Ahrensburg gelangte, ist unklar.
Zu dieser Zeit lebten jedoch einige Hamburger Kaufleute auf St. John und der Nachbarinsel St. Thomas.2 Bei ihrem Tod 1848 mit etwa 71 Jahren ist die in der Nachlassakte als „N******“ rassifizierte Frau jedoch nicht nur frei, sondern auch zu einigem Wohlstand gekommen: Sie besaß Haushaltsgüter im Wert von über 350 Reichstalern und hatte weitere 400 Reichstaler verzinst verliehen. Offenbar hatte Josua jedoch in Ahrensburg keine Nachkommen. Durch Briefe in ihren Papieren aber werden mehrere Nichten und deren Kinder auf St. Thomas ausgemacht. Die Inhaber der Firma Schön, Willink und Co. mit Sitz in der Neuen Burg 10 waren selbst einige Jahre lang auf St. Thomas tätig gewesen;3 August Joseph Schön hatte dort auch Versklavte besessen. Seine Firma übermittelt Maria Susanna Josuas Erbschaft 1851 in Bargeld gegen eine Provision nach St. Thomas.
Die Erben und Erbinnen waren zusammen mit ihrem Anwalt zum Schluss gekommen, dass Daunendecken und europäische Winterkleider in der Karibik weniger wert wären als sie bei einer lokalen Auktion einbringen würden. Josuas Geschichte zeigt – trotz aller Lücken – die Beständigkeit und Reichweite familiärer Verbindungen, auch von afro-karibischen Menschen. Sie deutet ebenso auf die Spannbreite früher Schwarzer Biografien hin: Man kann die ältere Susanna Josua durchaus als erfolgreiche Geschäftsfrau begreifen.4
Foto: Deckblatt der Nachlassakte Josuas im Staatsarchiv Schleswig, StSH Abt. 127.3 Ahrensburg, Nr. 66I
1 Vgl. StSH Abt. 127.3 Ahrensburg, Nr. 66I Nachlässe, darin: Akte Maria Susanna Josua.
2 Karl H. Schwebel, Bremer Kaufleute in den Freihäfen der Karibik von den Anfängen des Bremer Überseehandels bis 1815, Bremen 1995. S. 135-207; Annette Christine Vogt, Ein Hamburger Beitrag zur Entwicklung des Welthandels im 19. Jahrhundert. Die Kaufmannsreederei Wappäus im internationalen Handel Venezuelas und der dänischen sowie niederländischen Antillen, Stuttgart 2003. S. 60-70.
3 Vgl. Jürgen Brockstedt, Die Schiffahrts- und Handelsbeziehungen Schleswig-Holsteins nach Lateinamerika 1815 – 1848. Zugl.: Köln, Univ., Diss., 1973, Köln 1975. S. 372f.
4 Siehe hierzu auch die Dissertation von Annika Bärwald, Universität Bremen (voraussichtlich 2022).
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Autor_in | Annika Bärwald |
Zuletzt bearbeitet: | 27.09.2021 |
Quelle | Dissertation (voraus. 2022), Annika Bärwald |
Global Link (Geografischer Bezug): | St. Thomas, USA (Global Links Karte zeigen) |
Adresse: | Firmenadresse Schön, Willinck & Co, Neue Burg 10, Hamburg-Altstadt, 20457 |
Koordinaten (Lat/Lon) | 53.54949/9.987123 |
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