Terminal O´Swaldkai (Kleiner Grasbrook)

Altauto Ahoi

Export von Schrott-Fahrzeugen nach Westafrika

Erstellt am 27.12.2020, zuletzt geändert am 17.01.2021 | hamburg commercial

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Hannimari Jokinen

Mehrmals im Monat verlassen Schiffe mit Altautos den Hamburger Hafen. Zielort ist häufig Cotonou, die Hauptstadt des westafrikanischen Benin. Die ausrangierten Fahrzeuge werden aber auch nach Tema, Dakar, Libreville, Monrovia und einige andere Häfen entlang der westafrikanischen Küste bis ins angolanische Luanda verschifft. Viele der Rostlauben sind nicht mehr fahrtüchtig und hätten in Europa keine Chance, eine Zulassung zu erhalten. In Ghana und in anderen Orten des Globalen Südens bereiten sie Probleme.

Auf Hamburgs Parkplatz am Grasbrook stehen lange Reihen von Schrottautos, die nach Westafrika gehen: Personenautos und Transporter mit Aufklebern, auf denen die Namen westafrikanischer Zielhäfen wie Abidjan, Conakry, Cotonou, Dakar, Douala, Freetown, Lagos, Libreville, Lomé, Luanda, Monrovia, PointeNoire, Tema angebracht sind. Viele dieser Wagen fahren nicht mehr, sondern werden mit Sonderfahrzeugen in den Schiffsrumpf geschoben.1

Die alten Autos, Vans und Minibusse, die von Hamburg, von Europa, aber auch aus Japan und den USA in Länder des Globalen Südens exportiert werden, tragen zudem erheblich zur Luftverschmutzung bei, behindern Anstrengungen, die Effekte des Klimawandels abzumildern und sind eine Gefahr im Straßenverkehr.

Zwischen 2015 und 2018 seien weltweit 14 Millionen Gebrauchtwagen exportiert worden, von denen rund 80 Prozent in arme Länder gingen. “Mehr als die Hälfte davon ging nach Afrika”, schreiben die Autor:innen der UNEP-Studie Used Vehicles and the Environment.2 Ein kleinerer Teil gelange aber auch nach Osteuropa, den Nahen Osten sowie Asien und Mittelamerika. Die Zahl der aus Europa verfrachteten Exportautos wird auf jährlich etwa eine Million Fahrzeuge geschätzt. Sie waren im Schnitt 16 bis 20 Jahre alt und genügten den Euro-4-Abgasnormen nicht mehr. Die EU belegt mit 54 Prozent den ersten Platz der Groß-Exporteure, es folgen die USA und Japan. Jede zweite Kiste in Westafrika kommt also aus Europa.
An der deutschen Nordseeküste wurde erst im Herbst 2020 ein Terminal zur Verschiffung europäischer Gebrauchtautos nach Afrika in Betrieb genommen. Es wird von dem Autologistik-Unternehmen Mosolf betrieben. Von Wilhelmshaven sollen bis zu 60.000 Autos jährlich nach Nordafrika verschifft werden.

Old Fadama in Accra

“Autos werden in Old Fadama mit bloßen Händen, mit Hammer, Meißel und Schraubenzieher auseinandergenommen. Nach der Tagesarbeit wird das Bisschen wertvolles Metall an die Schrotthändler verkauft, was ein paar Euros bringt”, berichtet die Künstlerin Hannimari Jokinen. Die Hamburgerin arbeitete 2013 in Ghana und beobachte das Vorgehen rund um die große Mülldeponie Agbogbloshie am Rande der Hauptstadt Accra. Dort türmt sich nicht nur der Elektromüll, den Kinder und Jugendliche verbrennen, um an das verwertbare Metall zu kommen. Auch schrottreife Karossen landen hier und werden ausgeschlachtet. So verdienten Kinder das Schulgeld und zum Familienunterhalt dazu, so Jokinen. Old Fadama, die informelle Hüttensiedlung neben der Müllkippe Agbogbloshie, sein ein Zongo, was in der Hausa-Sprache „Karawane“ heiße. Dort lebten etwa 40.000 Menschen, deren Vorfahren mit ihren Karawanen zwischen Ägypten und Westafrika Handel betrieben hatten.3

Ausgemusterte Rostlauben jenseits der Euro-4-Abgasnormen

Die jüngste Analyse der UNEP ergab, dass zwei Drittel der untersuchten Länder für den Gebrauchtwagenimport nur schwache oder sehr schwache Beschränkungen aufgestellt haben. Die Vereinten Nationen haben daher eine Initiative gestartet, um Mindeststandards für den Import gebrauchter Wagen aufzustellen. Mehrere afrikanische Länder – darunter Marokko, Algerien, Ghana, die Elfenbeinküste und Mauritius – haben bereits strenge Auflagen für den Import von Altwagen umgesetzt, etwa was das Alter der Fahrzeuge oder ihre Abgasnormen anbelangt. Allerdings können diese auch leicht umgangen werden. Zu alte Fahrzeuge würden zum Beispiel nicht nach Ghana, sondern ins benachbarte Togo exportiert, um die strengeren Auflagen in Ghana zu umgehen, berichtet ein Hamburger aus Togo. Kurze Zeit später würden diese Autos aber auch in Ghana fahren, denn von Lomé aus sei es auf den gut ausgebauten Küstenstraßen nur ein Katzensprung bis nach Ghana.

1 Hannimari Jokinen (Protokoll Lena Kaiser): Mit dem Elektromüll nach Ghana. In: taz nord, 25./26. Mai 2013 https://taz.de/Mit-dem-Elektromuell-nach-Ghana/!485934/

2 UN Environment Programme (UNEP): Used Vehicles and the Environment – A Global Overview of Used Light Duty Vehicles: Flow, Scale and Regulation. Nairobi, 2020
https://wedocs.unep.org/bitstream/handle/20.500.11822/34175/UVE.pdf?sequence=1&isAllowed=y

3 Mehr dazu: http://www.away-is-a-place.de/news.html

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Altauto Ahoi

Export von Schrott-Fahrzeugen nach Westafrika
Karte: hamburg commercial
Autor_in Bildungsbüro Hamburg e.V. mit Material von Hannimari Jokinen
Zuletzt bearbeitet: 17.01.2021
Global Link (Geografischer Bezug): Benin, Kamerun, Togo, Ghana, Nigeria, Senegal, Angola (Global Links Karte zeigen)
Adresse: Terminal O´Swaldkai , Kamerunkai 215, Kleiner Grasbrook, 20457  
Koordinaten (Lat/Lon) 53.53467/9.994483

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